Heute weiss ich, welchen Weg ich gehen will

Nicole Burgy ist 20 Jahre alt und in der Ausbildung zur Büroassistentin. Sie arbeitet beim Staatssekretariat für Migration (SEM). Das Rollstuhltaxi bringt sie dort hin – sonst ist die junge Frau nicht auf Hilfe angewiesen. Auch dank der Begleitung der Band-Genossenschaft arbeitet sie heute selbständig.

Ausbildung zur Büroassistentin

«Ich kam eine Woche zum Schnuppern zur Band. Es hat sofort gepasst».
Im Sommer 2018 startete Nicole Burgy ihre Lehre zur Büroassistentin bei der Band-Genossenschaft. Zuvor hatte sie das 10. Schuljahr in der Stiftung Rossfeld beendet. Die Arbeit machte Burgy von Beginn weg Spass: «Seit ich mit dieser Lehre angefangen habe, habe ich so viel gesehen und gelernt. Es war ein Neuanfang für mich».

Die Ausbildung zur Büroassistentin ist eine Vorlehre. Im Unterschied zum Abschluss als Kauffrau oder Mediamatikerin lernt Burgy keine Fremdsprachen. Sie hat aber den Abschluss einer Lehre mit Berufsattest bereits ins Auge gefasst. Aktuell besucht sie regelmässig das Bewerbungscoaching bei der Band-Genossenschaft. Dort lernt sie, sich erfolgreich auf freie Lehrstellen zu bewerben.

Nach einem Jahr Lehrzeit wurde Burgy aufgrund ihrer guten Leistungen von der Band-Genossenschaft an das Staatssekretariat für Migration (SEM) des Bundes weiterempfohlen. Dort stieg sie mit einem Praktikum ein. Danach übernahm der Bund den Lehrvertrag von der Band-Genossenschaft. Burgy schliesst ihre Lehre nun im 1. Arbeitsmarkt ab.

Sich nicht behindern lassen

«Ich bin heute viel selbstsicherer. Dank der Band konnte ich mich entfalten».
Die Praxisausbildnerin von Burgy kann beim Arbeitstempo keinen Unterschied zu anderen Lernenden erkennen. Die junge Frau benötigt eine Einhandtastatur und hat ein spezielles Diktiergerät mit Spracherkennung: «Guten Tag. Absatz. Klick. Senden». Burgy findet sich im Arbeitsalltag allein zurecht. Für ihre Arbeit schreibt sie E-Mails oder koordiniert die Termine des Abteilungschefs. Sie leitet jeden Tag zahlreiche E-Mails an die verschiedenen internen Sektionen weiter.

1 ½ Tage pro Woche verbringt sie an der Berufsschule. Ihre Schulleistungen sind ausgezeichnet. An das Klassenklima musste sie sich aber erst gewöhnen. «Ich lerne gerne, aber das Umfeld mit den Klassenkameraden ist für mich eher schwierig. Ich fühle mich manchmal als Anhängsel und bin eher allein. Eigentlich funktioniere ich sehr gut im Team, aber meine körperlichen und sprachlichen Besonderheiten scheinen für andere eher abschreckend», fasst Burgy zusammen.

Von der Schülerin zur Arbeitnehmerin

«Es ist befriedigend, endlich mein eigenes Geld zu verdienen».
Burgy beschreibt sich während der Schulzeit als ängstlich und zurückgezogen. Das änderte sich, als sie zur Band-Genossenschaft kam. «Hier habe ich gelernt: Ich bin jemand, ich kann etwas! Das hat mir viele Türen geöffnet». Burgy hat während ihrer Lehrzeit bei der Band auch ein wertschätzendes Umfeld kennen gelernt. «Hier erhielt ich konstruktive Kritik, die mich weiterbrachte», bringt sie es auf den Punkt.

«Arbeit gibt mir Wertschätzung. Ja, man kann mich brauchen! Daheim höre ich selten: Das hast du gut gemacht». Burgy mag zudem, bei der Arbeit Teil eines funktionierenden Ganzen zu sein, sich mit anderen Menschen zu umgeben und das Elternhaus dafür bewusst zu verlassen. Nicht zuletzt schätzt sie es sehr, heute aufgrund ihrer Arbeitsleistung Lohn zu erhalten – und nicht der Umstände halber von der Invalidenversicherung Geld zu beziehen. 

Immer Neues entdecken

«Dass ich noch lebe und sprechen kann, grenzt an ein Wunder».
Burgy hat sprechen gelernt, als sie sieben Jahre alt war. Zuvor verständigte sie sich in Gebärdensprache. «Fremde Leute haben mich erst verstanden, als ich ungefähr 13 Jahre alt war. Ich hatte mich daran gewöhnt, alles drei Mal zu wiederholen. Oder stehen gelassen zu werden, wer dafür zu wenig Geduld aufbrachte». Burgys Krankheit kennt man kaum. Die Ärzte sprechen von einer unklaren Myelinisierungstörung mit linkem Cerebral. In der Schweiz sind im Jahr 2002 nur 11 betroffene Kinder und Jugendliche bekannt gewesen. Burgy lebt als einzige noch.

Lebenswille und Humor zeichnen die 20-jährige aus. Neuestens hat sie das Pokémon Sammelkartenspiel TCG (Trading Card Game) als Hobby entdeckt. Sie sammelt die Karten aus Leidenschaft und kennt fast alle Figuren. Für Spiele reist sie in der ganzen Schweiz herum. Burgy faszinieren verschiedene Taktiken. Aber vor allem mag sie den Austausch mit anderen Menschen. Kennen gelernt hat sie ihr jetziges Hobby übrigens bei der Band-Genossenschaft. Ein Arbeitskollege zeigte ihr während einem Mittagsessen wie das Spiel funktioniert und hat sie dann an ein erstes Turnier mitgenommen.  

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