«Ich möchte studieren»

Was, wenn einem gesagt wird: Irgendwann erblindest du komplett. Vivien nahm ihre Sehbeeinträchtigung an und führt heute ein selbstbestimmtes Leben. Dazu beigetragen hat ihre erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in der Band-Genossenschaft. Ihr nächstes Ziel: ein Studium im Sozialbereich.

 

Einen grossen Schritt näher kam Vivien ihrem Ziel im letzten Jahr. Während zwölf Monaten holte sie die Berufsmatura nach und schloss diese erfolgreich ab. «Ich möchte studieren», sagt Vivien. Die Voraussetzungen eignete sie sich bei der Band-Genossenschaft an, wo sie während vier Jahren die Ausbildung zur Informatikerin EFZ Betriebsinformatik absolvierte.

Mutig ging sie schon damals die Lehrstellensuche an, die anfangs jedoch erfolglos blieb. Durch Hilfe der Invalidenversicherung wurde sie schliesslich auf die Band Genossenschaft und deren Ausbildungsangebot aufmerksam. Eine einwöchige Schnupperlehre verlieh ihr das gute Gefühl: Hier bin ich am richtigen Ort. «Ich bin ein Familienmensch und hatte anfangs durch die Distanz zwischen Bern und Zürich meine Bedenken», sagt Vivien. «Die Option mit dem betreuten Wohnangebot hat mich jedoch überzeugt. Der Anschluss zu anderen ausserkantonalen Lernenden war erleichternd.»

 
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Betriebliche und schulische Unterstützung

Seit der Schulzeit wird Vivien von der Invalidenversicherung begleitet. Ihre Sehkraft beträgt heute noch 5%.  Die Ausbildung zur Informatikerin EFZ Betriebsinformatik hat Vivien aber vor allem aus einem Grund gewählt: «Der Kontakt mit Menschen ist für mich essentiell.» Der Austausch untereinander ist in der Band-Genossenschaft ein grosser Bestandteil: «Von meinem Ausbildner habe ich viel Unterstützung erhalten. Die angepasste Lern- und Arbeitsgeschwindigkeit liess mich Ziele in meinem Tempo erreichen.» Erfolge feierte Vivien ebenso in der Berufsschule: «Im EFZ-Ausbildungsniveau war ich auch mit Lernenden in der Klasse, die keine körperliche oder kognitive Beeinträchtigung haben. Mir war bewusst, dass ich nach der Schule mehr Zeit aufwenden musste, um am Ball zu bleiben».  

 
 
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Erfahrungen im ersten Arbeitsmarkt

Während der Ausbildung erhalten Jugendliche anhand von Praktika in externen Betrieben einen Einblick in den ersten Arbeitsmarkt. Unterstützt werden sie dabei von der Band-Genossenschaft. Aber auch durch Eigeninitiative, wie im Falle von Vivien, können sich spannende Einsätze ergeben: «Ich arbeitete für acht Monate in einer Firma, die Software entwickelt. Ich half im Vertrieb von elektronischen Hilfsmitteln für Sehbehinderte. Das war eine tolle Zeit.»

Die Erfahrung machte ihr Mut, nach der erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung im ersten Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Vorurteilen gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung und deren Leistungsfähigkeit ist sie bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern bisher nicht begegnet. «Ich weiss, dass ich viel leiste», so Vivien. «Als Frau mit einem EFZ Abschluss in einer eher männlich dominierten Branche, bin ich in einer vorteilhaften Position.»

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Mittlerweile arbeitet Vivien bei Schmid Energy solutions. Gefunden hat sie die Stelle über ein Personalvermittlungsbüro. «Als ich mit einem Blindenstock zum Vorstellungsgespräch erschien, war mein Vorgesetzter überrascht.» Ihre neue Aufgabe ging Vivien mit grossem Respekt an und wird auch von ihrem Vorgesetzten Roland Schmid, Leiter IT Schmid Gruppe, sehr geschätzt: «Vivien ist eine Frohnatur und hat unsere Erwartungen übertroffen. In unserem sehr kleinen IT-Support Team ist Vivien die erste Anlaufstelle. Durch ihre vielseitigen Kenntnisse kann sie den hilfesuchenden Userinnen und Usern sofort weiterhelfen», so Schmid.

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Wie hast du die Ausbildung bei der Band-Genossenschaft erlebt?

Was möchtest du zukünftigen Lernenden mit auf den Weg geben?

Schicksale in der Band berühren

Vivien ist eine Vorreiterin und geht Herausforderung zuversichtlich an: «Ich kenne meine Grenzen, weil ich mich mit mir selbst auseinandergesetzt habe. Auch die persönlichen Begegnungen mit anderen physisch und psychisch besonders herausgeforderten Menschen, haben mich nachhaltig berührt.»

Angebote wie supporta, einer Dienstleisterin der Band, die Lernende mit Beeinträchtigung im ersten Arbeitsmarkt begleitet, findet Vivien wichtig und richtig: «Ich wünsche mir, dass Unternehmen im ersten Arbeitsmarkt noch mehr Einsatzmöglichkeiten für Jugendliche mit Beeinträchtigung schaffen.»

Wir hoffen, künftig noch mehr von Vivien zu lesen!